Einzigartig: Ungarn erinnert an seine vertriebenen Deutschen Generalkonsulat lud zur Gedenkfeier ein

Als bisher einziges Land, in dem nach dem Zweiten Weltkrieg die deutsche Bevölkerung, oder Teile davon, vertrieben wurde, gedenkt Ungarn jährlich mit würdigen Feierstunden seiner vertriebenen deutschen Landsleute. Zwar musste der diesjährige Gedenkakt in München Coronabedingt um einige Wochen verschoben werden, dennoch hatte das ungarische Generalkonsulat nicht auf einen solchen verzichten wollen. Für Generalkonsul Gábor Tordai-Lejkó und Konsulin Krisztina Spiller ist das Erinnern an die tragischen Ereignisse in den Nachkriegsjahren, in denen über 200.000 Ungarndeutsche zwangsweise ihre Heimat verlassen mussten, zwischenzeitlich eine Herzensangelegenheit.

Um dem Gedenken eine noch stärkere Außenwirkung zu geben, hatte man erneut das Haus des Deutschen Ostens als Kooperationspartner gewinnen können. Auch wenn diesmal Vertreter der Staatsregierung, des Deutschen Bundestages und des Bayerischen Landtages fehlten, freute man sich doch über den Besuch von nahezu 100 Gästen im Adalbert-Stifter-Saal des Sudetendeutschen Hauses. Besonderer Ehrengast war die Kanzlerin der Ukrainischen Freien Universität, Yanina Lipski, die sich besonders über die, von allen Rednern zum Ausdruck gebrachte, Solidarität mit ihrem Land freute. Die Sudetendeutsche Landsmannschaft und die Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn waren durch ihre Landesvorsitzenden Stefan Hörtler und Georg Hodolitsch vertreten.

In einer sehr persönlich gehaltenen Rede schilderte eingangs die stellvertretende Vorsitzende der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, Olívia Schubert, die Situation der deutschen Minderheit in ihrem Heimatland. Dabei zeigte sie sich stolz, dass es der deutschen Minderheitenliste bei den jüngsten Parlamentswahlen erneut gelungen war, aus eigener Kraft einen Vertreter ins ungarische Parlament zu entsenden. Den weitgehend positiven Sachstandsbericht über die Situation der deutschen Minderheit ergänzte auch BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer. Ungarn, so der frühere CSU-Landtagsabgeordnete und Landrat von Aichach-Friedberg, könne auf „die wohl vorbildlichste Minderheitenförderung in Europa“ verweisen. Dieser Umstand sollte nach seiner Überzeugung stärker in Deutschland beachtet und mit viel größerem Respekt anerkannt werden.

In seinem Festvortrag bedauerte Knauer, dass viele Bundestags- und Landtagsabgeordnete, aber auch die breite Öffentlichkeit kaum Kenntnis von der praktizierten Minderheitenpolitik in Ungarn hätten. Wie sei es sonst anders zu erklären, dass kaum Wissen über das kulturelle Leben der über 200.000 Menschen zählenden deutschen Minderheit oder deren Landesselbstverwaltung anzutreffen sei. Heute finde man in Ungarn viele Ortschaften mit deutscher Minderheit, deren Ortsschilder zweisprachig beschriftet seien. Bei der ungarischen Volkszählung 2011 meldeten mindestens 21 Gemeinden einen Anteil von über 40 Prozent an deutschstämmiger Bevölkerung. In allen Siedlungsregionen finde man Schulen mit Deutsch als Unterrichtssprache. Deutsche Zeitungen, eine deutschsprachige Universität, deutsche Rundfunksendungen und nicht zuletzt ein deutschsprachiges Theater zeugten von einem aktiven Volksgruppenleben.

Wie in den deutschen Ostprovinzen Schlesien, Ostbrandenburg, Pommern oder Ostpreußen seien, so Knauer, in nahezu allen Siedlungsgebieten der Deutschen in Ost- und Südosteuropa die Landsleute vielfach gewaltsam aus ihrer Heimat vertrieben worden. Sie hätten keine Wahl gehabt, sondern mussten einen großen Teil der Rechnung für den nationalsozialistischen Terror Deutschlands bezahlen. In Ungarn und Rumänien seien darüber hinaus viele Deutsche zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion verschleppt worden. 1950 lebten ca. 210.000 ungarndeutsche Vertriebene außerhalb ihrer ehemaligen Heimat; davon 175.000 in der Bundesrepublik, 10.000 in der damaligen sowjetischen Besatzungszone, 20.000 in Österreich und 5.000 in überseeischen Ländern, vorwiegend in den USA und in Kanada. Ungefähr 220.000 Deutsche konnten in Ungarn aufgrund des Stopps der Transporte durch die Alliierten verbleiben oder weil sie für den Staat unentbehrlich waren.

Ungarn sei heute mit seinen vertriebenen Ungarndeutschen und ihrer Landsmannschaft weitgehend im Reinen. Als am 6. Juli 1989 der frühere Ministerpräsident Imre Nagy rehabilitiert und am 23. Oktober 1989 die dritte Ungarische Republik ausgerufen wurde, habe für Ungarn eine neue Zeitrechnung begonnen. Das Land hätte sich nicht nur erfolgreich auf den Weg zu einem demokratischen Rechtsstaat begeben, sondern fortan auch nach einem Ausgleich mit seinen einstigen deutschen Landsleuten gesucht. Rasch habe man die Vertriebenen in die Restitution einbezogen und die Rechte der verbliebenen deutschen Minderheit gestärkt. Schon weit vor Deutschland stimmte im Dezember 2012 einstimmig das Parlament zu, jährlich mit einem Gedenktag an die Vertreibung der Ungarndeutschen zu erinnern. Erstmals wurde dieser am 19. Januar 2013 mit einem großen Staatsakt in Budapest begangen.

Heute werde zwischen den Funktionsträgern der Landsmannschaft und den ungarischen Behörden überwiegend nur mehr von einem „freundschaftlichen Miteinander“ gesprochen. Die Kontakte in die Heimatgemeinden seien vorbildlich. Der Bund der Vertriebenen habe sich während einer Begegnungsreise ein unmittelbares Bild davon machen können. Knauer wörtlich: „Was wir seit Jahren Positives im Zusammenwirken mit Ungarn, aber auch mit Rumänien erleben, davon können andere Landsmannschaften nur träumen.“

Ihren Abschluss fand die Veranstaltung, vor der Einladung zum Genuss ungarischer Spezialitäten und den Dankesworten das HDO-Direktors Prof. Dr. Andreas Otto Weber, durch einen Kurzvortrag zur Geschichte der Kirchenmusik der Ungarndeutschen. Mit eindrucksvollen Beispielen und Darbietungen an der Orgel gelang es dem Musikwissenschaftler und Dozenten an in- und ausländischen Musikhochschulen, Dr. Franz Metz, die Zuhörerinnen und Zuhörer in seinen Bann zu ziehen.

Text/Fotos: S. M.