
Es war einer der am best besuchten und farbenprächtigsten Auftaktveranstaltungen zum „Tag der Heimat“, zu dem der BdV Bayern jemals eingeladen hatte. „Es ist unglaublich, wie es euch von Jahr zu Jahr gelingt, eure Festveranstaltungen zu steigern!“ So oder ähnlich lautete das Resümee vieler der rund 300 Besucher, die im Haus der Kultur in Waldkraiburg am 11. September sehr nachdenkliche Reden, einfühlsame Grußworte und ein mitreißendes Programm erlebt hatten. Ihr Debüt gaben dabei auch Bayerns neue Staatsministerin für Familie, Arbeit und Soziales, Ulrike Scharf, MdL und die FDP-Bundestagsabgeordnete Sandra Bubendorfer-Licht. Seinen Widerhall fand die Versammlung in ausführlichen Berichten des Bayerischen Fernsehens, des Regionalfernsehens Oberbayern und den Waldkraiburger Nachrichten.
Nach dem Fahneneinzug und der musikalischen Begrüßung durch die Donauschwäbische Singgruppe Landshut zeigte sich BdV-Kreisvorsitzender Georg Ledig begeistert von der großen Resonanz der Einladung bei seinen Landsleuten. Zusammen mit einigen Helfern hatte er die Organisation vor Ort übernommen und mit Plakaten und Flugzetteln auf die Veranstaltung hingewiesen. Landrat Maximilian Heimerl und Waldkraiburgs Bürgermeister Robert Pötsch oblag es, in ihren Grußworten auf die Entstehung der Vertriebenenstadt sowie den Aufbauwillen und die damit verbundenen großen Leistungen der Heimatvertriebenen in der Nachkriegszeit zu verweisen. In beiden Reden war deren starke emotionale Bindung zu den Heimatortsgemeinschaften und landsmannschaftlichen Verbänden deutlich spürbar. Der hohe Stellenwert des BdV wurde auch durch die Anwesenheit des schwäbischen CSU-Landtagsabgeordneten Andreas Jäckel, der Bezirksräte Claudia Hausberger (CSU), Annemarie Probst (Bündnis 90/Die Grünen) und Martin Wieser (AfD) sowie vieler Kreis- und Stadträte, angeführt vom stellvertretenden Landrat Richard Fischer, sichtbar.
Staatsministerin Ulrike Scharf hob zu Beginn ihrer Festrede die im Raum „spürbare Fröhlichkeit, Begeisterung und Heimatliebe“ hervor. „Wenn wir etwas von Ihrer Stimmung hier weitergeben könnten, würde selbst der Engel Aloisius Hingerl im Himmel mit dem Frohlocken anfangen.“ Sie könne jedem Politiker in Berlin und Brüssel nur wärmstens empfehlen: „Hört auf die Vertriebenen! Sie wissen, was Verständigung ist. Wir lernen von Ihnen, was Europa zusammenhält – Demokratie, Frieden und Freiheit.“ Die Heimatvertrie-benen sind für sie „Brückenbauer per excellence“. Daher passe das Motto des Festtages „Vertriebene und Spätaussiedler – Brückenbauer in Europa“ wie kein zweites. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine forderte sie zur Solidarität auf. In diesen unsicheren Zeiten komme es entscheidend auf die Verteidigung gemeinsamer Werte, wie Frieden, Freiheit, Versöhnung und Einigkeit in Europa an.
Für die Bayerische Staatsregierung versicherte sie, eine Erinnerungskultur zu schaffen, die das Schicksal und die Verdienste der Heimatvertriebenen kennt und wertschätzt. Mit der Gründung der Kulturzentren sei Richtiges angestoßen worden. Auch in der Wissenschaft werde man mit der eigenen Forschungsstelle zum Thema „Vertriebene als integraler Bestandteil Bayerns“ am renommierten Leibnitz Institut für Ost- und Südosteuropaforschung in Regensburg zielgenaue Impulse setzen. So wichtig Museen, Forschung und Dialoge auch seien, die Vertriebenen und Aussiedler sowie deren Nachkommen seien aber selbst die „besten Botschafter ihrer Kultur“. Da sie „im Geiste Europas leben“, würden sie nicht nur ihr kulturelles Erbe lebendig halten, sondern auch Brücken in die Heimatgebiete bauen.
BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer sah im „Tag der Heimat“ eine willkommene Gelegenheit nicht nur an der Verlust der angestammten Heimat zur erinnern, sondern den „Wert der Heimat“ für den Menschen und seine Entwicklung herauszustellen. Angesichts der weltweit höchsten Flüchtlingszahlen seit Ende des Zweiten Weltkriegs forderte er erneut, „dem Recht auf Heimat durch strafbewehrte Vertreibungsverbote Geltung zu verschaffen“. Europa müsse hier die Initiative ergreifen und den Anfang machen. Den Angriffskrieg der Russischen Föderation in der Ukraine bezeichnete der BdV-Chef als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“.
Völlig unverständlich sei in einer Zeit, wo die freien Völker zusammenrückten, die offene Diskriminierung von etwa 50.000 Kindern der deutschen Minderheit in Polen. Ihnen sei durch die im Herbst in Kraft getretene Kürzung des muttersprachlichen Unterrichts von drei Stunden auf eine, bitteres Unrecht geschehen, da die Muttersprache das wichtigste Mittel zur Identitätsbildung sei. Da Polen offenkundig darauf hinarbeitet, diese Merkmale zu schleifen, verstoße es gegen grundlegende Menschenrechte und setze die Existenz der Minderheit aufs Spiel. Die Bundesregierung forderte er auf, dieses Thema „auf höchster Ebene und mit Nachdruck“ zu vertreten.
Einer weiteren Lösung bedürfen, so Knauer, die „ungerechten Regelungen“ für die Rentenberechnungen bei Aussiedlern und Spätaussiedlern. Hier gehe es darum, die Lebensleistung eines Menschen mit gleichem Maß zu messen und Gerechtigkeit walten zu lassen. Bei einem noch längeren Zuwarten drohe die Gefahr, dass bei einem Wählerpotential von rund drei Millionen Bürgerinnen und Bürger, manche Betroffene aus Frustration zu den populistischen Parteien am linken oder rechten Spektrum abwanderten. Daran, so Knauer, könne niemand gelegen sein.
Für ausgelassene Stimmung und Beifallsstürme sorgte anschließend das Tanz- und Folkloreensemble Ihna aus Erlangen. Als eines der bekanntesten Ensembles in Deutschland bot es ein halbstündiges Programm mit pommerscher Folklore, aufbereitet in spritzigen Tanzpotpourris und detailreichen Suiten, die kleine Geschichten erzählen und alles begleitet von Live-Musik. Seit nunmehr 60 Jahren gilt die Gruppe durch ihre nationalen und internationalen Auftritte als Botschafter der deutschen, im Besonderen der pommerschen Kultur. Zwischen den einzelnen Programmpunkten überzeugte die Egerländer Trachten-kapelle Waldkraiburg mit schmissigen Märschen und Weisen. In guter Erinnerung wird den meisten Besuchern wohl das Schlussbild mit den Fahnenabordnungen, Trachten- und Kulturpreisträgern auf der Bühne bleiben, mit dem die Veranstaltung nach dem Absingen der Hymnen zu Ende ging.