Eine treffendere Zusammenfassung der „Feierlichen Stunde“ aus Anlass des 70-jährigen Jubiläums des bayerischen Landesverbandes der „Landsmannschaft Schlesien – Nieder- und Oberschlesien e. V.“ konnte man wohl kaum finden, als wie sie der oberbayerische BdV-Bezirksvorsitzende Paul Hansel formulierte: „Der heutige Nachmittag entsprach ganz der zweiten Strophe der Bayernhymne.“ Darin heißt es: „dass mit Deutschlands Bruderstämmen einig uns ein jeder schau.“ Durch alle Reden habe sich wie ein roter Faden gezogen, dass der Freistaat Bayern in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fest zu seinen schlesischen Landsleuten steht. Unterstrichen wurde diese Aussage auch durch die starke Präsenz aus den Reihen der Landespolitik. So hatten sich unter – die „Corona-bedingt“ nur rund 80 zugelassenen Gäste Bayerns Sozialministerin Carolina Trautner, die Beauftragte der Bayerischen Staatsregierung für Aussiedler und Vertriebene, Sylvia Stierstorfer, MdL, sowie die vertriebenenpolitischen Sprecher der CSU- und AfD-Landtagsfraktion, Josef Zellmeier und Christoph Maier gemischt.
Der Bundesverband der Landsmannschaft war durch den Präsidenten der Bundesdelegiertenversammlung, Dr. Gotthard Schneider, Bundesvorsitzenden Stephan Rauhut und Bundesfrauenreferentin Anneliese Woschke, der Bund der Vertriebenen durch seinen Landesvorsitzenden Christian Knauer vertreten. Unter den Vorsitzenden der befreundeten Landsmannschaften kam Damian Schwider von den Oberschlesiern eine besondere Rolle zu. Er überbrachte nicht nur die Grüße der „Schwesterlandsmannschaft“ sondern umrahmte die Feier im Sudetendeutschen Haus in München mit gekonnten Klaviervorträgen. Für den festlichen Rahmen sorgten zudem zahlreiche Fahnenabordnungen, die Darbietungen der Riesengebirgstrachtengruppe und die Einlagen von „Rübezahls Zwergen“, beide aus München.
Auch wenn die Jubiläumsfeier aus bekannten Gründen stark beschränkt war, wurde sie doch in anspruchsvoller und abwechslungsreicher Weise durchgeführt. Positiv trugen dabei die kurzen, aber inhaltlich pointierten Grußworte der Beauftragten der Staatsregierung, des Bundesvorsitzenden und des BdV-Landesvorsitzenden bei. Alle drei würdigten mit unterschiedlichen Akzentsetzungen die Aufbauleistungen der Vertriebenen nach ihrer Vertreibung aus den Heimatgebieten, die Pflege des ostdeutschen Kulturgutes, die Verständigungsarbeit und das starke ehrenamtliche Engagement der Mitglieder der Landsmannschaft.
Staatsministerin Carolina Trautner, MdL, unterstrich zu Beginn ihrer Festansprache den Passus aus der Charta der Heimatvertriebenen: „Wir haben unsere Heimat verloren. Heimatlose sind Fremdlinge auf dieser Erde. Gott hat die Menschen in ihre Heimat hineingestellt. Den Menschen mit Zwang von seiner Heimat trennen, bedeutet ihn im Geiste töten.“ Diese schonungslos ehrlichen Worte seien ihr bei der Vorbereitung auf die Veranstaltung „tief unter die Haut gegangen“. Auch mit Blick auf die Gegenwart meinte sie: „Wir müssen uns immer wieder ins Bewusstsein rufen, wie viel menschliches Leid entsteht, wenn Menschen entwurzelt und fortgerissen werden, wenn sie Gewalt und Willkür ausgeliefert sind und vor Verzweiflung nicht mehr weiterwissen.“ Ihr nötige es tiefen Respekt ab, welche Kraft die Menschen nach 1945 in der neuen Umgebung aufbringen mussten, um nicht zu zerbrechen.
Der Landesverband Bayern der Landsmannschaft Schlesien habe sich von Anfang an um seine Landsleute gekümmert, Wunden geheilt und es den Menschen erleichtert, in Bayern anzukommen und Schritt für Schritt heimisch zu werden. Was ihm und den Menschen damals gemeinsam gelungen ist, grenze an ein Wunder. Die Schlesier hätten in den vergangenen 70 Jahren sehr viel „zu unserer bayerischen Erfolgsgeschichte“ beigetragen. Die Ministerin wörtlich: „Ohne Sie würde Bayern heute anders aussehen. Ihre Ideen und Ihre Kreativität bereichern unser Bayern.“ Beeindruckend sei der Zusammenhalt vieler schlesischer Landsleute über Generationen hinweg. Durch ihre Heimatverbundenheit und ihren Zusammenhalt von Jung und Alt seien die Schlesier die besten Vorbilder, die unsere Gesellschaft haben könne. Die Heimatverbundenheit und das Engagement der Mitglieder kommen auch den Menschen in Schlesien zugute. Dabei seien die Impulse überaus wertvoll, mit denen die deutsche Minderheit in Polen bei der Pflege ihrer Sprache und Kultur unterstützt werde. Das deutsche Leben habe Schlesien über Jahrhunderte hinweg geprägt. Dass die Menschen in Polen heute diese reiche Geschichte immer mehr kennen, dazu hätten die Landsmannschaften sehr viel beigetragen. In Europa stünden die Völker vor der großen Herausforderung, geeint zu bleiben und zusammenzuwachsen. Wir könnten und sollten alle von den Schlesiern lernen, denn sie seien seit 70 Jahren Europas Brückenbauer. Die Bayerische Staatsregierung werde die Schlesische Landsmannschaft weiter stützen und stärken. Wörtlich: „Wir sind für Sie da. Darauf können Sie sich verlassen.“
Landesvorsitzender Christian K. Kuznik brachte seine Freude über die große Beachtung des Jubiläums seiner Landsmannschaft zum Ausdruck. Dies käme nicht nur durch die zahlreichen Ehrengäste zum Ausdruck, sondern auch durch die Anwesenheit eines Kamerateams des Bayerischen Rundfunks. Für die Jubiläumsveranstaltung habe man bewusst den Begriff „Feierliche Stunde“ gewählt. Die Jahreszahl erinnere an 70 und mehr Jahre erzwungener Abwesenheit von der Heimat aber auch an einen jahrzehntelangen Zusammenhalt der Landsleute. Wenn man an die Zeit der Wurzeln des Verbandes denke, dann kämen jenen, die noch aus der Erlebnisgeneration stammen, viele leidvolle, traurige, ja schreckliche Bilder ins Gedächtnis. Dies sei aber nicht Ziel der „Feierlichen Stunde“. Vielmehr wolle man all jenen Dank sagen, die bei der Lösung der schier unmöglichen Aufgabe einer friedlichen Integration von zunächst zwölf Millionen Vertriebenen und Flüchtlingen in einem zerbombten und hungernden Restdeutschland mitgeholfen hätten.
Die politisch besonders brisante und umstrittene, für Jahrzehnte wichtigste Forderung nach der „Rückkehr in die Heimat“ habe sich nach Auffassung der Landsmannschaft gewandelt. Von der ursprünglich erhofften „physischen Rückkehr“, strebe man nunmehr einen „friedlich-geistigen Heimatbesitz“ mit den dort heute lebenden Bewohnern an. Als wichtige Aufgabe betrachtet sein Verband, „das gesamte geschichtliche und kulturelle Erbe des über 800 Jahre deutschen Schlesiens zu erhalten und dessen Weitergabe an die nachfolgenden Generationen zu sichern“. Dazu gehörten auch die Erinnerungen an die schrecklichen Ereignisse des Krieges, der Nachkriegszeit und an erlittenes Unrecht.
Stolz zeigte sich Kuznik auf den Auf- und Ausbau des „Schlesischen Schaufensters in Bayern – Museum und Dokumentation“ in Straubing. Dieses werde seit 2009 mit Unterstützung des Freistaates Bayern auf- und ausgebaut. Mit ausschließlich von Landsleuten gespendeten Objekten sei dieses inzwischen zu einem bestaunten nichtstaatlichen Museum aufgestiegen, welches Flucht und Vertreibung der Landsleute, deren Integrations- und Aufbauleistungen sowie das Wirken der Landsmannschaft dokumentiere.