Im besten Gewand zeigte sich am Sonntag, 20. September, die Stadt Augsburg und sorgte mit der Überlassung des Goldenen Saals im Rathaus für einen festlichen Rahmen anlässlich der Zentralveranstaltung des „Tages der Heimat“ in Bayern. Tage zuvor hatten BdV-Bezirksvorsitzender Andreas Jäckel, MdL, und die neu gewählte BdV-Kreisvorsitzende Dr. Hella Gerber erfolgreich die Weichen für einen reibungslosen Ablauf gestellt. Mit der Veranstaltung hatte auch BdV-Landesgeschäftsführerin Susanne Sorgenfrei und ihr Münchener Team „die Feuertaufe“ bestanden. Wegen der Corona-Pandemie waren eine Vielzahl von Auflagen zu beachten, leider auch der Teilnehmerkreis auf 90 Personen zu beschränken. Am Ende gab es nicht nur kleine „Kuchenpakete“ für jeden Teilnehmer, deren Inhalt freiwillige Helferinnen des örtlichen BdV gebacken und zusammengestellt hatten, sondern durchwegs Lob für den zügigen, aber dennoch niveauvollen Festakt.
In einem kurzen Film zum Thema, wurde das Leitwort der Veranstaltung „70 Jahre Charta der deutschen Heimatvertriebenen“ gleich von Beginn an in den Mittelpunkt gestellt. Oberbürgermeisterin Eva Weber gestand in ihrer Begrüßung, dass es bei ihr „immer wieder eine Gänsehaut auslöst, wenn sie Bilder, in denen das Vertreibungsgeschehen gezeigt wird, sieht“. Heute könne man sich das damalige schreckliche Geschehen nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu nicht mehr vorstellen. Er grenze an ein Wunder, dass die nahezu 15 Millionen aus ihren Heimatgebieten vertriebenen Menschen sich innerhalb relativ kurzer Zeit integriert und eine entscheidende Rolle zum Aufbau der zerstörten Deutschlands gespielt hätten. Die Charta habe maßgeblich dazu beigetragen. Augsburg freue sich, nach vielen Jahren wieder Veranstaltungsort für den zentralen Tag der Heimat in Bayern zu sein.
BdV-Landesvorsitzender Christian Knauer stellte in seiner Ansprache heraus, dass die Charta in einer Zeit großer sozialer und wirtschaftlicher Not verabschiedet worden sei und im geschichtlichen Rückblick „von einer ungeahnten Weitsicht geprägt war“. Heute wüssten alle, dass Unrecht nicht durch Worte oder durch bloße rhetorische Betroffenheit wieder gut gemacht werden könne. Dass die damals geschundenen und heimatlos gewordenen Menschen eine solche Deklaration verabschiedeten sei „ein absolut großer Schritt zu Versöhnung in Europa“ gewesen, der bis heute intensiv nachwirke. Die Resolution sei eine Selbstverpflichtung zur Eingliederung und zum Wiederaufbau gewesen und barg eine der ersten modernen Visionen für ein freies, geeintes und friedliches Europa.
Vieles hätte sich seither zum Positiven gewandelt. Dies gelte auch für die in den Heimatgebieten verbliebenen Landsleute. Sie seien inzwischen als nationale Minderheiten anerkannt und würden oft als „wunderbare Mosaiksteinchen in der jeweiligen nationalen Gesamtkultur“ betrachtet. Dem anwesenden rumänischen Botschafter attestierte er, dass dessen Land neben Ungarn die vorbildlichste Minderheitenpolitik in Europa aufweise. Die dortigen jüngsten Parlamentsbeschlüsse zur dauerhaften monatlichen Entschädigungsleistung, für die nach dem Zweiten Weltkrieg verschleppten deutschen Zwangsarbeiter stelle die symbolische Anerkennungsleistung der Bundesrepublik sogar in den Schatten.
Dem Zentralrat der Juden in Deutschland entbot Knauer, anlässlich ihrer Gründung von 70 Jahren einen besonderen Gruß. Viel zu lange hätten sich auch die Verbände der Heimatvertriebenen allzu sehr mit dem Schicksal der eigenen Opfergruppe beschäftigt und dabei das Leid jener, auch unter ihren Augen, geschändeten oder ermordeten jüdischen Nachbarn hinten angestellt oder gar ausgeklammert. Er sei froh, dass in Bayern mit der Israelitischen Kultusgemeinde eine konstruktive Zusammenarbeit gepflegt werde. Man sich einig sei, dass die Menschenrechte unteilbar seien und jegliche Formen von Nationalismus und Radikalismus schon im Keim bekämpft werden müssten.
Mit ihrer Begrüßungsformel „Was für eine Freude, Sie alle so zahlreich zu sehen. Und was für ein eindrucksvoller Zusammenhalt, der von Ihnen ausgeht. Ihre Begeisterung zieht in ihren Bann und lässt den Funken überspringen“, gelang es Staatsministerin Carolina Trautner, MdL, schon zu Beginn ihrer Festrede, starke Sympathien zu gewinnen. Die Ministerin weiter: „Hier spürt jeder, was unsere Herzen höherschlagen lässt und unsere Seelen erhebt: die eigene Kultur zu pflegen, stolz auf sie zu sein und sie mit anderen Menschen zu teilen.“ Es sei wertvoll, wenn die zahlreichen Veranstaltungen im Rahmen des Heimattags für Momente sorgten, in denen die Menschen merkten, wie fest und kraftvoll die Wurzeln der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler sind, wie reich und lebendig ihre Traditionen und wie leidvoll und doch hoffnungsfroh ihre Geschichte.
Das Motto des diesjährigen Heimattags stelle ein Dokument in den Mittelpunkt, das wichtige Impulse für die europäische Entwicklung nach dem Zweiten Weltkrieg gegeben habe. Man müsse sich immer wieder ins Bewusstsein rufen, was die Vertreibung und die Deportationen damals bedeuteten: Enteignung, Entrechtung, Zerstörung des Lebensmutes, Zwangsarbeit, Willkür, Gewalt, Überlebensangst, unendliches und unermessliches menschliches Leid. Daran nicht zu zerbrechen, sondern Mut zu fassen und zu einem friedlichen Zusammenleben in Europa aufzurufen, sage viel über die Moral der Heimatvertrieben aus. Zudem seien sie seit 70 Jahren Europas Brückenbauer.
Ziel der Bayerischen Staatsregierung sei es, die Heimatvertriebenen weiter zu stützen und zu stärken. „Wir wollen, dass sie sich fest in unser kollektives Gedächtnis in Bayern und Deutschland einprägen.“ Dabei habe man alle Heimatvertriebenen im Blick. Derzeit sei man dabei, Kulturzentren für die Deutschen aus Russland, die Siebenbürger Sachsen, die Banater Schwaben und die Donauschwaben zu realisieren. Diese Zentren würden „begehbare Schätze sein, die unsere Erinnerungen an einen wichtigen Teil der deutschen Geschichte aufrecht halten werden“. Zudem wünsche sie sich, dass noch viel mehr Schulklassen die bestehenden Einrichtungen und Zentren besuchten um zu sehen, wie glanzvoll das kulturelle Erbe der Heimatvertriebenen und Spätaussiedler strahlt.