Wie „Brückenbau“ zwischen den Völkern praktiziert werden kann, davon legte eine Begegnungsreise des BdV Bayern nach Serbien ein beredtes Zeugnis ab. Eine Woche lang nutzten Mitglieder des Landesvorstandes sowie Landesvorsitzende und Funktionsträger aus den Landsmannschaften um sich ein unmittelbares Bild von der politischen Situation des Landes, insbesondere aber jene der deutschen Minderheit zu erarbeiten. Besonderes Interesse galt aber auch der Aufarbeitung des Martyriums der Donauschwaben am Ende des Zweiten Weltkriegs vor Ort. Ab 1944 war in der Batschka, in der Baranja, im Banat und in Syrmien zunächst ein System von Lagern die bestimmende Lebensform, in denen die deutsche Bevölkerung interniert, zur Arbeit gezwungen und dezimiert wurde. Mit etwa 95.000 Opfern wies Jugoslawien mit weitem Abstand die höchste Todesrate bei der durch Internierung, Flucht und Vertreibung getöteten Zivilbevölkerung auf. Die Zahl der Deutschen belief sich im Vorkriegsjugoslawien auf rund eine halbe Million und sank bis 31. März 1953 auf rund 62.000. Heute bekennen sich noch etwa 4.000 Staatsbürger zur deutschen Volkszugehörigkeit.
Wie sehr sich die Beziehungen zwischen Deutschland und Serbien nach dem Jugoslawien-Kriegen Ende der neunziger Jahre wieder erholt haben, darauf verwies die deutsche Botschafterin in Belgrad, Anke Konrad, beim Empfang der BdV-Delegation in ihren Amtssitz hin. Besonders spürbar sei die immer enger werdende Zusammenarbeit in den Bereichen Wirtschaft und Sicherheit. Deutschland sei größter bilateraler Handelspartner und Investor. So seien allein in den letzten Jahren 80.000 Arbeitsplätze durch deutsche Unternehmen geschaffen worden. Mit rund zwei Milliarden Euro hätte sich die Entwicklungszusam-menarbeit besonders in den Bereichen Energie und Klimawandel kraftvoll entwickelt.
Ein nicht zu vernachlässigendes Problem sah die Botschafterin in der starken Präsenz russischer Propaganda, auf der „fake-news“ kaum Richtigstellungen erfolgten. Es gleiche einem „innenpolitischen Balanceakt“ der Politik, sich von den russischen Abhängigkeiten zu befreien. Russland werde von weiten Teilen der Bevölkerung nach wie vor als freundliches „Bruderland“ gesehen, das sich sowohl im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg an die Seite des Landes gestellt habe. Auch in der Kosovo-Frage, bei der Deutschland und Frankreich eine wichtige Vermittlerrolle eingenommen hätten, peitsche Russland die innenpolitische Stimmung auf.
Positiv hätte sich der Minderheitenschutz in Serbien entwickelt. Durch das Minderheitengesetz wurden die Deutschen 2002 als nationale Minderheit anerkannt. Zuvor war im Dezember 1996 der „Deutsche Volksverband, Verband der deutschen Minderheit in Serbien“ gegründet worden. Dessen Ziele seien unter anderem der Schutz der Interessen der Deutschen Minderheit, die Erhaltung der deutschen Identität, die Pflege der deutschen Sprache sowie der Sitten und Kultur der Donauschwaben.
Welche Herzlichkeit den deutschen Gästen überall im Land entgegengebracht wurde, war bei Empfang der Regionalregierung der Vojvodina in Novi Sad erstmals zu spüren. Kultusminister Alexsandar Sofić nahm sich mit Staatssekretär Viktor Pal und einer ganzen Riege von Mitarbeiterinnen ungewöhnlich viel Zeit, um ausführlich zu Themen der Aufarbeitung der Geschichte und aktuellen politischen Fragen Stellung zu nehmen. Dabei lobte er BdV-Landesvorsitzenden Christian Knauer, der in seinem Eingangsstatement die Einbeziehung der vertriebenen Donauschwaben in die Rückgabe des durch die Kommunisten verstaatlichten Eigentums herausgestellt hatte. Knauer, so der Minister, sei der erste deutsche Gast, der seinem Land hierfür gedankt und Anerkennung gezollt habe.
Das serbische Parlament hatte am 26. September 2011 ein Restitutionsgesetz zur Rückgabe bzw. Entschädigung von Vermögenswerten beschlossen, die nach dem 9. März 1945 enteignet worden waren. Das Gesetz sah grundsätzlich die Möglichkeit für eine Rückgabe bzw. Entschädigung auch an nichtserbische Staatsangehörige vor. Demnach konnten auch die vertriebenen Donauschwaben auf dem heute serbischen Staatsgebiet bis zum 14. Dezember 2016 Anträge auf Rehabilitierung und bis zum 3. März 2014 Anträge auf Restitution (Entschädigung) stellen.
Beklommenheit lösten die Besuche der Gedenkstätten bei Jarek und Gakowa aber auch des nahezu verfallenen katholischen Friedhofs in Apatin aus. Erst 2017 brach das Balkanland das Tabu um das Schicksal seiner einstigen deutschen Donauschwaben. Jahrzehntelang wurde dieses Thema totgeschwiegen. Seit der Errichtung und Einweihung einer Gedenkstätte in der Gemeinde Jarek für die misshandelten, vertriebenen und ermordeten Deutschen durch Serbiens Regierungschef Aleksandar Vucic im Mai gleichen Jahres, stellt sich das Land nunmehr auch offiziell diesem Kapitel seiner Geschichte. Die damalige Geste der Regierung wurde als wichtiger Schritt für die Aussöhnung und die Auseinandersetzung mit diesem Thema aufgefasst. „Nur durch die Achtung fremder Opfer werden wir das Recht haben, auch Respekt und Recht für unsere Opfer zu verlangen“, begründete Vucic damals das serbische Umschwenken.
Welche große Bedeutung die rund 550.000 Deutschen, die zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert in menschenleere Gebiete des späteren Jugoslawiens eingewandert waren, weite Teile der Landwirtschaft, des Handwerks und des Handels bestimmten, wurde in Gesprächen mit Vertretern des Deutschen Nationalrats, des Deutschen humanitären Vereins St. Gerhard, dem Donauschwäbischen Museum in Sombor und beim Empfang bei Bürgermeister in Apatin spürbar. Auch bei den Fahrten durch die einstigen deutschen Dörfer konnte man die wirtschaftliche und kulturelle Bedeutung der nicht nur aus Deutschland stammenden damaligen Einwanderer noch gut nachvollziehen. Heute bemüht sich eine überschaubare Zahl geschichtsbewusster und vielfach ethnisch gemischter Nachfahren der einstigen donauschwäbischen Siedler, die auf Dachböden und Kellern verstreuten historischen Dokumente zu sammeln und vor dem endgültigen Verfall zu schützen.