Große Vielfalt: BdV-Landesverband besucht Museen und Einrichtungen – Reise weckt Interesse bei schwäbischen Abgeordneten

Nach der ausgesprochen positiven Reaktion aus den Kreisen der Teilnehmer an der ersten BdV-Informationsfahrt zu Einrichtungen nach Paragraph 96 Bundesvertriebenengesetz im Jahr 2021 war es klar, dass es baldmöglichst einen „Nachfolger“ geben wird. Nach der zwangsweisen Pandemie-Pause war es vom 28. bis 30. Oktober wieder so weit, dass Mitglieder des Landesvorstandes und einige Landesvorsitzende aus dem Kreis der Landsmannschaften sich aufmachten, um entsprechende Objekte, vorwiegend in Schwaben, zu besuchen. Für den reibungslosen Ablauf hatte die neue BdV-Landesgeschäftsführerin Stefanie Sander-Sawatzki gesorgt. Eingeplant hatte sie auch Begegnungen mit ihren Vorgängern Dr. Sebastian Sparwasser und der im Mutterschaftsurlaub befindlichen Susanne Sorgenfrei.

Erster Anlaufpunkt war die Migrationsberatungsstelle für erwachsene Zuwanderer, die der BdV-Landesverband in Aichach unterhält. Untergebracht ist diese in der Sudetendeutschen Heimatstube, die nach wie vor auch von der Landsmannschaft mitgenutzt wird. Während MBE-Beraterin Julia Deibel von ihrer Tätigkeit berichtete, bezeichnete SL-Ortsobmann Gert-Peter Schwank die gemeinsame Nutzung des von der Stadt Aichach zur Verfügung gestellten Raumes als „Win-Win-Situation“. Aichachs Bürgermeister Klaus Habermann drückte in einem kurzen Grußwort seine Freude über die Beratungsstelle aus. Das gute Miteinander von SL und BdV wurde auch durch ein kleines Frühstücksbuffet sichtbar, das die MBE-Beraterin und fleißige SL-Damen mit guten Backwaren bereichert hatten.

Die Heimatstube Reichenberg in Augsburg bildete die zweite Station der Reise. In drei Räumen geben Trachten und weitere Textilien, Bücher, Dokumente, Fotos, Handwerksgeräte, Erinnerungsstücke, Gemälde und Grafiken einen Einblick in die kulturelle, soziale und wirtschaftliche Situation der Stadt Reichenberg in Nordböhmen und ihrer Umgebung vor der Vertreibung der deutschen Bevölkerung. Ihr angeschlossen ist ein Archiv, das Bestände aus dem ehemaligen Stadtarchiv Reichenbergs (Liberec) und seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges ergänzende Archivalien enthält. Die Bibliothek mit über 1.500 Bänden heimatkundlicher Literatur verwahrt auch etliche Ortschroniken aus Nordböhmen. Im Jahre 1974 gab der Heimatkreis Reichenberg ein Heimatbuch heraus. Aus der Patenschaft über den Heimatkreis entwickelte sich mit deren starker Unterstützung seit 2001 eine Partnerschaft Augsburgs mit dem heutigen Liberec.

Als „lebendiges Geschichtsbuch“ präsentierte der 1933 in Hermannsthal (Jeřmanice) bei Reichenberg (Liberec) geborene Rudolf Simm in einem mit Bildern unterstützten Vortrag die Geschichte Reichenbergs. Seit vielen Jahren ist der frühere Physiklehrer die „gute Seele“ des Heimatkreises und leitet ehrenamtlich das „kleinste Museum Augsburgs“. In Vertretung der erkrankten Oberbürgermeisterin Eva Weber überbrachte in seiner Eigenschaft als Stadtrat, CSU-Landtagsabgeordneter Andreas Jäckel die Grüße der Fuggerstadt. Begleitet wurde er von Bezirksrätin Annemarie Probst (Bündnis 90/Die Grünen) und BdV-Kreisvorsitzende Dr. Hella Gerber.

Im Sitzungssaal des Gemeinderates präsentierte am späteren Nachmittag der frühere Landesgeschäftsführer des BdV, Dr. Sebastian Sparwasser, den Markt Pfaffenhofen an der Roth. Dort wurde er 2020 als gemeinsamer Kandidat von CSU und SPD zum hauptamtlichen Bürgermeister gewählt. Verbunden ist er mit dem BdV auch heute noch durch seine Tätigkeit als stellvertretender Landesvorsitzender der Landsmannschaft der Deutschen aus Ungarn. Nach einer Kirchenbesichtigung mit Ortspfarrer Pater Jonas Schreyer vom Prämonstratenser-Orden genoss man in geselliger Runde das Abendessen in der Römer-Taverne.

Erste Station des zweiten Tages war das Donauschwäbische Zentralmuseum (DZM) in Ulm. Dieses wurde mit einer umfassenden Renovierung in den Jahren 2018 bis 2022 aktualisiert und modernisiert. Leitgedanke bei der Ausstellungskonzeption ist die Einbettung der Geschichte der Donauschwaben in den geografischen und historischen Zusammenhang des südöstlichen Europas. In einem historischen Rundgang werden wichtige Stationen donauschwäbischer Geschichte vorgestellt: von der Auswanderung nach Ungarn über das Zusammenleben in Dörfern und Städten bis hin zu politischen Veränderungen im 20. Jahrhundert. Seit der Eröffnung hat sich das DZM aktiv in die deutsche und die südosteuropäische Museumslandschaft eingebracht und zahlreiche Projekte mit Partnerinstitutionen durchgeführt. In Ergänzung zu zahlreichen lokalen Heimatstuben der Donauschwaben, die meist von Heimatortsgemeinschaften betrieben werden, befasst sich die Einrichtung mit allen donauschwäbischen Siedlungsgebieten zwischen Budapest und Belgrad.

Begeistert zeigten sich die Besucher nicht nur von der fachkundigen Führung, sondern auch dass ein Medienguide mit Schauspielszenen und Hintergrundinformationen in deutscher und englischer Sprache im Museum ausgeliehen werden kann. Die Donauschwaben und ihre Nachkommen leben heute weit verstreut: in den ehemaligen Siedlungsgebieten in Ostmittel- und Südosteuropa, in Deutschland und Österreich, aber auch in Brasilien oder den USA. Dort haben sie sich nach dem Krieg ein neues Leben aufgebaut. Ihre Erfahrungen aus unterschiedlichen Kulturen, ihre Kontakte und Sprachkenntnisse machen sie zu Vermittlern und Brückenbauern. Bei Besuchen in Deutschland ist das Museum in Ulm beliebter Anlaufpunkt.

Nach dem Besuch der Gedenkstätten zur Auswanderung mit den sogenannten „Ulmer Schachteln“ ging es weiter zum Isergebirgs-Museum in Neugablonz. Der Name Neugablonz steht für Modeschmuck und Glas. Gegründet wurde der Kaufbeurer Stadtteil mit seiner Schmuckindustrie von Heimatvertriebenen aus Gablonz an der Neiße (Jablonec nad Nisou) im nordböhmischen Isergebirge. Das Museum illustriert rund 400 Jahre deutsche Kultur und Industrie in Nordböhmen, die Vertreibung der Sudetendeutschen nach dem Zweiten Weltkrieg und den erfolgreichen Neubeginn am Beispiel der größten geschlossenen Vertriebenen-siedlung Deutschlands. Es wurde im Jahr 2000 eröffnet und gründet sich auf die Sammlung des Gablonzer Archiv- und Museumsvereins und die Ausstellung des Neugablonzer Schmuck- und Industriemuseums.

Das Museum zeigt die Topographie des Isergebirges, die Besonderheiten seiner kulturellen Identität und seine wirtschaftliche Struktur (Textilindustrie, Glas- und Schmuckindustrie). Ein VW-Käfer Baujahr 1954 verweist auf den gebürtigen Isergebirgler Ferdinand Porsche. Durch das Museum führen die Stimmen von drei gebürtigen Isergebirglern: Heinz Kleinert (Mundartdichter), Otfried Preußler (Schriftsteller) und Claus Josef Riedel (Glasfabrikant). Der Museums-Rundgang führt den Besucher durch fünf Räume auf zwei Stockwerken, in denen die Geschichte der Deutschen im Isergebirge, ihre Kultur, ihr Alltag, ihre Industrie und ihr Schicksal lebendig werden. CSU-Bundestagsabgeordneter Stephan Stracke ließ es sich nicht nehmen, die Besuchergruppe in seiner Heimatstadt willkommen zu heißen. Am Beispiel von Neugablonz ließen sich am besten die Aufbauleistungen der Heimatvertriebenen und deren Integrationswillen ablesen.

Im Klosterbräu Irsee gab es ein Wiedersehen mit der im Mutterschaftsurlaub befindlichen BdV-Landesgeschäftsführerin Susanne Sorgenfrei. Zudem konnte sie einen besonderen Glückwunsch ihres Chefs entgegennehmen, war sie doch am Vormittag zur Direktkandidatin der SPD für die kommenden Landtagswahlen nominiert worden. Es wäre schön, so Knauer, wenn sich die Landesgeschäftsstelle erneut als „Kaderschmiede“ für politische Karrieren herausstellen würde. Auf große parlamentarische Erfahrung konnte der vertriebenenpolitische Sprecher der Landtagsfraktion der Freien Wähler, Bernhard Pohl, als weiterer Gast des Abends verweisen. Er versicherte für seine Fraktion den Landsmannschaften und ihrem Dachverband verlässliche Solidarität. Sichtlich erfreut waren die Reisenden von der Diskussionsfreudigkeit des Abgeordneten. Oberbayerns Bezirksvorsitzender Paul Hansel stellte mit Freude fest: „Dem Abgeordneten hat es bei uns offenbar sehr gut gefallen!“

Das Sonntagsprogramm wurde durch den Besuch des Stadtmuseums der Vertriebenenstadt Geretsried eingeleitet. Für seine hervorragende Qualität war es 2020 mit einer Ehrengabe zum BdV-Kulturpreis ausgezeichnet worden. Das im Herbst 2013 eröffnete Museum umfasst die Sammlungsbeständen des ehemaligen Heimatmuseums und nimmt seine Besucher mit auf eine spannende Reise durch die bewegte Geschichte der Stadt. Sie startet mit einem Einblick in die Anfangsjahre der Kommune und beleuchtet zunächst ihre Entwicklung von der Schwaige Geretsried bis zur Gemeindegründung 1950. In den Kapiteln „Rüstungs-betriebe/Zweiter Weltkrieg“ werden die Schrecken des Dritten Reiches und die Bedeutung der beiden Rüstungsbetriebe DAG (Dynamit Aktiengesellschaft) und DSC (Deutsche Spreng-chemie) thematisiert sowie das Thema „Flucht und Vertreibung“ anschaulich dargestellt.

Nach der Ankunft der Heimatvertriebenen in Geretsried mussten diese, wie viele andere, oft jahrelang ein karges Leben in Holzbaracken fristen, wie es eine Inszenierung zeigt. Mit einem Blick zurück in die alte Heimat wird das Mitgebrachte dargestellt und ein Bogen vom Egerländer Instrumentenbau zum donauschwäbischen Weinbau, vom oberschlesischen Bergbau bis zum Urzelbrauchtum der Siebenbürger Sachsen gespannt.

Einen beeindruckenden Abschluss fand die Informationsfahrt mit dem Besuch des „Erinnerungsortes Badehaus“ in Wolfratshausen. Auch hier wird anschaulich die Geschichte von Waldram (früher Föhrenwald) gezeigt. Ab 1940 errichteten die Nationalsozialisten im Wolfratshauser Forst eine Mustersiedlung für Rüstungsarbeiter. Gegen Kriegsende führte hier der KZ-Todesmarsch aus Dachau vorbei. Dann wurde Föhrenwald zu einem Lager für jüdische „Displaced Persons“ (Heimatlose Juden), die den Holocaust überlebt hatten. Ab 1956 wurden meist katholische, kinderreiche Heimatvertriebene angesiedelt und der Ort in Waldram umbenannt. Bis heute finden sich hier Spuren dieser einzigartigen Migrationsgeschichte. Sie wird anschaulich und multimedial in dem neu errichteten Erinnerungsort Badehaus erzählt. Eine Bürgerinitiative hat das Gebäude vor dem Abriss gerettet und dort einen Ort der Erinnerung, der Begegnung und des Lernens geschaffen.